Die kleine 47.000-Seelen-Stadt Amberg steuert die Welt. Jährlich verlassen über 12 Millionen sogenannter “SIMATIC”-Produkte die hier ansässige Siemens-Fabrik, fast jede Sekunde eines. Die Produkte sind unter anderem in jedem fünften Motor weltweit verbaut, Tendenz steigend. Das hochmoderne Flaggschiff des Konzerns steht für “Totally Integrated Automation”, also intelligente, effiziente und qualitativ hochwertige Steuerung von Arbeitsprozessen. Siemens ist Marktführer auf diesem Gebiet. Ein Besuch in der “modernsten Fabrik Europas”.
Nach dreistündiger Busfahrt und scheinbar unbändigem Hunger erreichen dreißig Schüler des Jakob-Fugger- Gymnasiums eine kleine Stadt nahe Regensburg. Wir hatten zunächst befürchtet, dass eine fast vollautomatisierte Firma, in der alles von Roboterhand geschieht, eventuell gar keine Kantine zu bieten haben würde. Sichtlich beruhigt sitzen wir, nach der Vergabe der Essensgutscheine, in einem geräumigen Vortragssaal und lauschen einer Präsentation. Viele Anglizismen fallen, es wird von Milliardeninvestitionen in der Forschung gesprochen und Thomas Kränzle (Promoter der Digital Factory bei der Siemens AG) hebt die Bedeutung des Industriestandortes Deutschland in der Welt hervor
Schnell wird klar, dass wir nicht eingeladen wurden, um unser physikalisches und technisches Wissen über Kompensatoren, Schaltkreise und Halbleiter zu erweitern. Wir sollen erleben, wie heutzutage produziert wird, nicht was. Mit kleinen Tonempfängern und Kopfhörern ausgestattet, folgen wir einem Mann mit Mikrofon. Spätestens jetzt nach Betreten der ersten Produktionshalle wissen wir, warum das Werk den Titel “Modernste Fabrik Europas” trägt. Es ist nicht wirklich laut, aber alles ist unglaublich schnell. In meterlangen Glaskästen, die wie Aquarien aussehen, führen einzelne Maschinen die immer gleichen Abläufe aus. In rasendem Tempo sortieren, schrauben, löten, pressen und montieren die Roboter das Werkstück. Die wenigen Menschen, die hier zu sehen sind, überprüfen oder warten die hochmodernen Maschinen lediglich. Das Produkt wird in der Regel von dem Eingang des Warenauftrags bis zur fertig verpackten Ware in der Kartonage nie von Menschenhand berührt. Am Ende der Produktionslinie steht unser Begleiter und nimmt stolz ein Exemplar in die Hand. “Alle zwei Sekunden verlässt eine SIMATIC-Steuerung das Band, und das 24 Stunden lang! „Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein. Das ist unser Motto!” Gebannt beobachten wir, wie sich zwei Roboterarme mit scheinbar perfekter Präzision ein Werkstück übergeben.
In Amberg ist die Dystopie schon fast Wirklichkeit: Hier geben sich keine Menschen die Hände, sondern Maschinen. Als wir beinahe von den schnellen Staplern angefahren werden (Menschenhand!) wenden sich unsere Blicke den hohen Decken der Fabrikhallen zu. In mehr als fünf Metern Höhe verlaufen hier schmale, fließbandartige Straßen in alle möglichen Richtungen der Halle. In der neuen Generation werden die Fabrikate und die Bauelemente automatisch an die richtigen Maschinen geliefert. Das spart Platz, Zeit und Personal. Im 21. Jahrhundert ist maximale Effizienz obligatorisch für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt. “Die vierte industrielle Revolution, also die Verwendung intelligenter und automatischer Steuerung von Arbeitsprozessen nach der Dampfmaschine, dem Fließband und der automatisierten Produktion, befindet sich noch in ihren Kinderschuhen. Keiner kann vorhersagen, wohin sich das entwickelt.”
Und so wussten auch wir nach diesem eindrucksvollen Tag nicht, wohin wir uns entwickeln sollen. Wo ist unser Platz auf diesem komplexen Arbeitsmarkt, der sich scheinbar so rasant und gewinnorientiert entwickelt?
Vielen Dank an Thomas Kränzle und Wolfgang Schreck von der Siemens AG, die uns diesen Tag ermöglicht haben.
Hier finden Sie den Pressebericht der Augsburger Allgemeinen.