Am Mittwoch, dem 22. Juni 2022, konnte nach über zweijähriger Vorbereitungszeit an unserer Schule das Erinnerungsband eingeweiht werden, das an die beiden jüdischen Augsburger Emanuel Herz und Rosalie Brader, geb. Herz erinnert, die dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind.
Der Familie Herz gehörte bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts das Haus in der „Brunhildenstraße 1“. Nachdem die Familie vor den Nationalsozialisten nach Frankreich flüchten und das Haus verkaufen musste, wurde dieses im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Stadt Augsburg kaufte das Grundstück der Familie Herz, die es im Rahmen eines Entschädigungsverfahrens in den 50er Jahren wieder zurückerhalten hatte, ab und nutzte dies als neuen Standort für die „Höhere Handelsschule“, aus der dann 1965 das Jakob-Fugger-Gymnasium hervorging. Somit ergibt sich die Verbindung unserer Schule zur Familie Herz, bei der leider nur ein Teil der Familienmitglieder die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt hat. Einer der beiden Söhne der Familie Herz, Emanuel, wurde beim Versuch der Flucht von dem von Deutschen besetzten Frankreich in die Schweiz verhaftet, deportiert und verstarb in einem Konzentrationslager. Seine Tante Rosalie „Sally“ Brader war gar nicht mit der restlichen Familie nach Frankreich umgezogen, sondern lebte weiterhin in Augsburg, von wo auch sie von den Nationalsozialisten schließlich deportiert und ermordet wurde. Zu ihren Ehren wurde schon im Jahr 2020 auf dem Schulgrundstück des Jakob-Fugger-Gymnasiums von der Stadt Augsburg ein Erinnerungsband angebracht. Die Corona-Pandemie verhinderte einerseits die zeitnahe Einweihung dieses Bandes, sorgte allerdings letztendlich auch dafür, dass die Einweihung nun im Juni 2022 eine umso umfassendere und würdige werden konnte. Denn nun konnten die vielen Personen, Gruppen und Institutionen, die sich mit dem Schicksal der beiden geehrten Personen aus der Familie Herz beschäftigt hatten, ihre Beiträge zur Feierstunde leisten.
Nach einer Begrüßung durch die Schulleiterin Angelika Felber, die hervorhob, wie erfreulich die Zusammenarbeit der vielen Beteiligten verlaufen war, begrüßte auch Bürgermeisterin und Schulreferenten Martina Wild die Anwesenden und hob die Wichtigkeit des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus hervor. Eine lebendige Erinnerungskultur in den Schulen kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Im Anschluss sprach Georg Feuerer vom Stadtarchiv Augsburg über die Wichtigkeit der Hoffnung für die Menschen. Er wies darauf hin, dass auch im Nationalsozialismus die Menschen Hoffnung haben konnten, solange sie sich nicht in aussichtsloser Lage befunden haben. Als Beispiel hierfür erwähnte er auch die Bewohnerinnen und Bewohner der „Brunhildenstraße 1“. In dem Mehrfamilienhaus wohnte nämlich nicht nur die Familie Herz, sondern auch viele jüdische Mieter-Familien. Ein Teil der Menschen, die dort lebten, wurde deportiert und getötet, einem anderen Teil gelang die Flucht ins Ausland, teils bis nach Übersee.
Nachdem Herrn Feuerer die Meldeakten der Brunhildenstraße eins aufgefallen waren, hatte er die Idee, dass sich Schülerinnen und Schüler des Jakob-Fugger-Gymnasiums der Schicksale verschiedener Bewohner des Hauses annehmen könnten. Diese Idee wurde dann an unserer Schule durch das W-Seminar „Brunhildenstraße 1“ unter der Leitung von Manuel Höfer umgesetzt. Nach dem Vortrag von Herr Feuerer präsentierten die Schülerinnen und Schüler des W-Seminars die Ergebnisse ihrer eineinhalbjährigen Arbeit. Sie berichteten eindrücklich von dem Leben, den Nöten, der Rettung oder dem Tod der Menschen, die einmal in der Brunhildenstraße 1 gelebt haben. Auch das Schicksal von Rosalie Brader, geb. Herz wurde im Seminar beleuchtet. Ihre Lebensgeschichte ist eng verwoben mit der ihres Neffen Emanuel Herz. Mit ihm hat sich das „Junge Theater Augsburg“ beschäftigt, das seine Aufgabe ebenso wie unsere Schule auch im Bereich der Erinnerungsarbeit sieht. Im Zusammenwirken mit Frau Muriel Spierer-Herz, der Nichte von Emanuel Herz, und der Stadt Augsburg initiierte das Junge Theater Augsburg auch die Anbringung des Erinnerungsbandes an unserer Schule.
Frau Susanne Reng vom Jungen Theater Augsburg stellte den Beitrag des Jungen Theaters Augsburgs vor und betonte, dass auch das Theater Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten bieten kann, um sich mit „Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit ihrer Stadt“ auseinanderzusetzen. Sie übergab dann das Wort an Frau Muriel Spierer-Herz, die extra zur Veranstaltung aus Frankreich angereist war und einen sehr persönlichen Rückblick auf die Geschichte ihrer Familie bot. Mithilfe der von ihr herausgegebenen Autobiografie ihres Vaters Herbert Herz und vielen Familienfotos entstand das Bild eines Familienlebens voller Freude, das jäh von der nationalsozialistischen Verfolgung in ein Bild der Zerrissenheit und Angst verwandelt wurde. Verstärkt wurde dieser Eindruck im Anschluss durch die vom Schauspieler Sebastian Baumgart vorgenommene Lesung der letzten Postkarten von Emanuel Herz an seine Mutter, die er im Laufe seiner Deportation noch schreiben konnte. Schwankend zwischen Hoffnung und Resignation zeigte er sich hier als ein Mensch, mit dem die Gäste der Veranstaltung spürbar auch noch nach Jahrzehnten mitlitten. Der Abschluss der Veranstaltung war schließlich der Gang zum Erinnerungsband auf dem Schulgelände und ein Gebet, das durch Mitglieder der israelitischen Kultusgemeinde durchgeführt wurde.
Umrahmt wurde die Veranstaltung von Schülerinnen und Schülern des Musik-Ensembles des Jakob-Fugger-Gymnasiums, die mit thematisch passenden Werken zum würdigen Rahmen der Veranstaltung beitrugen. Zusammenfassend wurde mit der Veranstaltung und den langfristigen Vorarbeiten der Erinnerungskultur der Stadt Augsburg ein weiterer Baustein hinzugefügt, die ein Vergessen der schrecklichen Taten des Nationalsozialismus verhindern soll.
Bilder: Frauke Wichmann