Kategorie(n): Fächer A-Z, Geschichte, Religion & Ethik
Autor:in: Jamal Fischer, 10b

„Nebel im August“ – Autorenlesung und Kinofim

70 Jahre sind vergangen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, seit dem Ende des Nazi-Regimes und der Verachtung, Misshandlung und Ermordung von Menschen mit Behinderungen, Menschen mit jüdischer Religion, prinzipiell von allen Menschen, die nicht arischer Rasse entstammten, nicht die politische Meinung der Nationalsozialisten teilten und nicht körperlich gesund waren.

Letzteres spielte damals eine enorme Rolle, vor allem in Kinder- und Erziehungsheimen wurde durch Euthanasie versucht, Kinder mit Erbkrankheiten buchstäblich auszurotten und so zu verhindern, dass diese Krankheiten auf die nächste Generation übertragen werden. Das bereits mehrfach ausgezeichnete Buch “Nebel im August”, geschrieben von Robert Domes, erschien im August 2008 und stellt, basierend auf einer wahren Begebenheit, das Leben des 13 Jahre alten „asozialen“ Jungen Ernst Lossa aus Augsburg dar. Das Buch, mittlerweile in der achten Auflage, wurde im Jahre 2016 verfilmt. Am Donnerstag, dem 1. Dezember, wurde der 9. und 10. Jahrgangsstufe des JFG dieser Film in einer Sondervorstellung vorgeführt.

Der Einstieg in den Film ist etwas plötzlich, aber trotzdem recht verständlich, man findet Ernst schon recht früh in dem Heim wieder, in welchem er den gesamten Film über ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen im Heim lebenden Kindern ist Ernst nicht psychisch krank oder körperlich behindert, sondern einfach nur schwer zu erziehen. Sein Vater ist fahrender Händler und hat keinen festen Wohnsitz.

Zu Beginn werden Ernst die Haare abrasiert, neue Kleidung gegeben und ihm wird das Paar Schlittschuhe, das er mit sich führt, abgenommen. Im gesamten Film wird das Leben von Ernst sehr detailliert dargestellt, da Ernst jedoch nicht über seine Gefühle redet, muss man als Zuschauer individuell interpretieren, was im Kopf von Ernst in jeder Situation passiert. Durch die allgemein sehr kalte Stimmung im Film wird dem Zuschauer die Ernsthaftigkeit und Grausamkeit des Themas vermittelt, die auch den gesamten Film lang am Zuschauer nagen und ihn nicht mehr loslassen. Bei seiner Aufnahme im Heim wird Ernst im Film – sowie auch damals in der Realität – mit dem Satz „Bei Ernst Lossa handelt es sich um ein selten abartiges Kind, einen Psychopathen, bei dem sämtliche Erziehung fehlt“ versehen. Diese Bezeichnung galt wie eine Art Stempel, man wurde diesen Satz im Leben nie wieder los, seine Kindheit würde für immer unter diesem Satz zusammengefasst sein. Recht schnell lebt sich die Hauptperson des Films in seinem neuen Zuhause ein und erhält fast schon eine Sonderstellung bei einigen Erziehern, er wirkt auf viele sehr sympathisch. Die Hoffnung von Ernst beruht darauf, dass sein Vater ihn, wie versprochen, abholen und nach Amerika mitnehmen würde und ihn damit aus dem Heim „befreien“ würde. Mitten im Film scheint sich diese Hoffnung zu bewahrheiten, als sein Vater tatsächlich auftaucht und Ernst holen will. Doch es fehlt die Bestätigung des festen Wohnsitzes des Vaters – natürlich, er ist ein fahrender Händler ohne festen Wohnsitz. Und es kommt, wie es kommen muss, der Vater von Ernst verlässt das Heim ohne seinen Sohn.

Parallel dazu spielt die Euthanasie noch keine große Rolle, lediglich am Anfang kann man sehen, dass ein junger Mann in einen Transporter gezerrt wird und, auch wenn es nicht gezeigt wird, man kann jedoch stark darauf schließen, in ein anderes Heim verlegt wird, in welchem die Ermordung jedes Insassen als Ziel gilt. Auch die anderen Kinder mit teils schweren Erbkrankheiten oder Behinderungen stehen auf den Todeslisten des Anstaltsleisters, um das Risiko der Vererbung der Krankheiten auf die nächste Generation zu verhindern, lediglich mit einem Unterschied zu vorher: Die Euthanasie solle jetzt in den einzelnen Heimen selber durchgeführt werden und nicht mehr in speziell dafür gemachten Einrichtungen. Man benutzt mit Medikamenten versetzten Himbeersaft, um den Kindern vorzuspielen, es sei ein Saft, der gegen die Krankheiten jedes Einzelnen helfen würde. Doch tatsächlich führten die zugeführten Medikamente zu einem qualvollen Tod. Sowohl die Oberschwester des Hauses als auch Ernst merken, dass irgendetwas nicht stimmt mit dieser Medizin. Ernst beschuldigt den Direktor der Hauses nach einer Beerdigung eines weiteren Kindes als Mörder, sodass der Direktor beschließt, den einzigen klar denkenden Jungen aus dem Heim als nächstes zu töten. Ernst ist gerade einmal 14 Jahre alt, als man ihn ermordet. Am Tag nach dem Kinobesuch kam der Autor der Romanvorlage Robert Domes zu einer Lesung ans JFG. Er las aus dem Buch vor, beantwortete Fragen der Schüler und ging auch darauf ein, wie er zum Titel seines Buches kam: “Nebel im August” entstand durch eine Situation im Buch, als Ernst mit einem Freund aus der Anstalt auf dem Dach des Gebäudes sitzt und Nebel sieht, der eigentlich gar nicht da ist. Sein Freund fragt ihn „Seit wann gibt es denn bitte Nebel im August?“. Der Autor des Buches fand den Namen “Nebel im August” passend, weil er auch symbolisch für den Nebel des Grauens stehe, der die Nazi-Taten umgebe.

Robert Domes schrieb nach einer mehrjährigen Recherche etwa ein halbes Jahr an dem Buch. Tag und Nacht, so sagt er, habe er geschrieben, mit Informationen aus dem Stadtarchiv Augsburg und Daten aus Gesprächen mit den damals noch lebenden beiden Schwestern von Ernst.

Für uns Schüler waren die beiden Veranstaltungen ein Einblick in eine Zeit, die sich nie weiderholen darf.

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